Blade Runner 2049 (2017) – synthetische Menschen die von Hologrammen träumen

Lang, lang ist es her, dass ich den originalen Blade Runner aus dem Jahr 1982 das erste Mal im Fernsehen gesehen habe. Zugegeben, ich kann mich nicht mehr erinnern welcher der zahlreichen Schnittversionen es war. Ich weiß nur, dass ich mich am Ende etwas ratlos fühlte und nicht ganz sicher war ob ich den Film nun super genial oder etwas übertrieben gehyped fand. Erst nach mehrmaligem ansehen verschiedener Versionen, welche wohl in erster Linie dazu dienten das Ende etwas schlüssiger zu erklären, konnte die Geschichte um den Titelgebenden Replikantenjäger Deckard (Harrison Ford) auch mich begeistern. Ob die Fortsetzung, die 35 Jahre später unsere Kinos beglückt, eine ähnliche Wirkung auf mich hatte, könnt ihr in diesem Review nachlesen.

 

Deckard: I did your job once. I was good at it.

K: Things were simpler then…

 

(Vorsicht Spoiler – Ich gehe aber davon aus, dass alle Menschen und Replikanten, die den Film unbedingt sehen wollten, dies bereits getan haben und daher eh nicht mehr viel gespoiled werden kann !)

 

Handlungsrahmen

 

Zu Beginn des Films folgen wir einem neuen Blade Runner, dem Replikanten KD6-3.7 aka K , später auch Joe genannt (Ryan Gosling) , auf eine seiner Missionen zur Eliminierung eines Replikanten älterer Bauart, der auf einer einsamen Maden- (aka Protein-) Farm in der Wüste untergetaucht ist.

Nach seiner Rückkehr in die regnerisch-düstere Zukunftsverion der Stadt Los Angeles lernen wir Ks einzige Freundin, das Hologramm Joi (Ana de Armas) kennen, die ihm in seinem tristen Appartment Gesellschaft leistet und darauf programmiert ist „alles zu sagen und alles zu tun was du dir erwünschst“. So besagt es zumindest der Werbeslogan des Herstellers. Um ihn auch außerhalb des Appartments begleiten zu können, hat K eine Art USB Stick gekauft, mithilfe dessen er Joi portabel macht.

Unter der Führung seiner Vorgesetzten Lieutenant Joshi (Robin Wright) wird K in eine komplizierte Handlung rund um das Geheimnis des, nach den Ereignissen des Originalfilms ebenfalls untergetauchten, früheren Blade Runners Rick Deckard (Harrison Ford) hineingezogen. Ebenfalls auf Deckards Spur angesetzt ist Luv (Sylvia Hoeks), die persönliche Assistenz-Replikantin des Milliardärs und Replikantenproduzenten Niander Wallace (Jared Leto).

Bald kommt K Deckards mysteriösen Familienverhältnissen auf die Spur, lernt dabei auch sich selbst und seine eigene Vergangenheit besser kennen, trifft auf die Erinnerungskonstrukteurin Dr. Ana Stelline (Carla Juri) und im letzten Drittel der Geschichte schließlich auf Deckard selbst, den er in einer zerstörten, radioaktiv verseuchten Dystopieversion von Las Vegas aufspürt.

Wie schon im Originalfilm, gibt es am Ende auch wieder einen Showdown der im Regen stattfindet. Luv wird getötet, K überlebt und Deckard macht sich auf zur Familienzusammenführung, deren Ausgang wir leider nicht mehr miterleben, da das Ende diesbezüglich offen bleibt.

 

Pro

 

Eindrucksvolle Optik und monumentaler Sound

Das größte Pro des Films ist die wunderbare Optik, welche die im Originalfilm von 1982 erschaffene, dystopische Zukunft bis in die kleinsten Details wieder auferstehen läßt und gleichzeitig darüber hinaus wächst. Neben der bereits bekannten Cyber Punk Großstadt (eine übervölkerte, dunkle und stets regnerische Version von Los Angeles) lernen wir diesmal auch Locations außerhalb der Metropole kennen.

Der obligate Anflug auf die düstere Skyline im fliegendem Automobil, sowie der Blick auf Pan Am Schriftzug und Atari Logo,  darf dabei natürlich ebenso wenig fehlen wie die riesigen Bildschirme, welche die Bewohner der Häuserschluchten mit seltsamer Werbung für alle möglichen durch Replikanten erbrachten Dienstleistungen versorgen. Erweitert werden diese Elemente durch den Auftritt riesiger Hologramme, die zwischen den Hochhäusern umher stolzieren und ebenfalls ihre kryptisch-lasziven Werbebotschaften verkünden.

Sehr eindrucksvoll fand ich auch die einsame, kahle Wüste, in der nichts mehr lebt außer die in riesigen Kontainerfarmen gezüchteten Maden und untergetauchte Replikanten auf der Flucht vor der allgegenwärtigen Polizeigewalt und der Eliminierung durch die von jenen kontrollierten Blade Runner. Die halbzerstörten, radioaktiv verseuchten Ruinen von Las Vegas und das verwaiste Casino, in dem Deckard sich versteckt hält, sind ebenfalls sehr bildgewaltig umgesetzt. Wie gewohnt sind auch alle Interieurs nach wie vor in der schrägen Mischung aus 80er Jahre Einrichtungsgegenständen und Zukunftsoptik gehalten, die wir aus dem ersten Film kennen.

Untrennbar mit der Mischung aus Zukunftsvibe und Retro-Monumentaltät verbunden ist auch der voluminöse Soundtrack, welcher in einer Kollaboration der Komponisten Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch entstand. Beide hatten ja schon bei der musikalischen Untermalung des Anti-Kriegsfilms Dunkirk (2017) zusammen gearbeitet. Und tatsächlich hört man die Verwandtschaft stellenweise auch sehr deutlich heraus.

 

Zukunftsphilosophie und moralisches Dilemma

Auch die inhaltliche Weitererzählung der Geschichte rund um die, auf den ersten Blick nur sehr schwer von echten Menschen zu unterscheidenden, Replikanten, deren Unterdrückung durch ihre menschlichen Schöpfer und sich anbahnende Rebellion verdient durchaus meine Anerkennung. Hier werden einige Handlungsstränge und moralisch – philosophische Fragen wieder aufgegriffen, die  im ersten Blade Runner Film angedeutet worden waren.

 

Was macht uns Menschen eigentlich zu Menschen ? Welche Privilegien sind damit verbunden ?

Können wir uns wirklich anmaßen der Natur und allem was wir schaffen überlegen zu sein ?

Können künstliche Intelligenzen echte Gefühle entwickeln ?

Haben Replikanten eine Seele ?

 

Von den neu hinzukommenden Handlungselementen gefällt mir die Geschichte rund um das Hologramm Joi und ihre Beziehung zu K am besten. Dieser hatte Joi zunächst wohl nur als Ablenkung von seiner tristen Alltagsrealität erworben, scheint aber dann doch immer mehr echte Gefühle für sie zu entwickeln. Auch Joi scheint an ihrem Besitzer zu hängen, möchte ihn auf seinem steinigen Lebensweg unterstützen und riskiert am Ende sogar ihre eigene Auslöschung um auf dem lebensbedrohlichen Trip in die Ruinen von Las Vegas bei ihm sein zu können.

Ob Jois Gefühlsentwicklung allerdings echt ist oder doch nur Teil ihrer Programmierung „alles zu sagen und alles zu tun was du dir erwünschst“ bleibt am Ende genauso offen wie die Frage ob der Original Blade Runner Deckard aus dem ersten Film selbst ein Replikant ist oder doch ein Mensch. Beide Auflösungen sind denkbar und werden auch angedeutet. Für welche Interpretation wir uns entscheiden, bleibt aber dann doch wieder dem einzelnen Zuseher überlassen.

Sehr schön fand ich in diesem Zusammenhang folgendes Zitat von Joi, als sie zusammen mit K auf der Suche nach Anhaltspunkten für die Existenz eines Nachkommen von Deckard ist und sie eine Reihe von DNS-Analysen durchforsten:

 

4 symbols make a man: A, T, G & C

I am only two: 1 and 0

 

HauptdarstellerInnen

Zu guter letzt sollen auch die schauspielerischen Leistungen des gesamten Ensembles lobend erwähnt werden. Allen voran Ryan Gosling, der in meiner Gunst, nach dem Debakel das sich La La Land nannte, nun doch wieder um einige Punkte nach oben gestiegen ist. Wenn beide nebeneinander stehen, wirkt er wirklich wie eine jüngere Version von Harrison Ford. Und das nicht nur optisch sondern vor allem in seiner Mimik und Gestik, die er wohl eingehend studieren musste um sie derart detailgenau wiedergeben zu können.

Blade Runner 2049 ist aber nicht nur Goslings One-Man-Show. Mindestens genauso faszinierend fand ich die Darstellung der beiden Figuren Joi (Ks Hologrammfreundin) und Luv (die kampflustige Replikanten-Assistentin ihres Schöpfers Niander Wallace) durch die beiden Newcomerinnen Ana de Armas und Sylvia Hoeks. Beide müssen einerseits oft stoisch emotionslose Gesichter machen, andererseits aber auch eine ziemliche Bandbreite an Charaktereigenschaften und Emotionen darstellen und sind dabei überaus realistisch und überzeugend. Ich hoffe, dass wir in Zukunft mehr von diesen Schauspielerinnen sehen werden, da ich denke dass beide sehr vielseitig und wandelbar sein können.

 

Blade Runner 2049 Ana de Armas; Quelle: Sky News
Blade Runner 2049 Ana de Armas; Quelle: Sky News

 

Der etwas in die Jahre gekommene Harrison Ford hat mir in seinen kurzen aber sehr intensiven Auftritten gegen Ende des Films auch sehr gut gefallen. Die Rolle des Rick  Deckard wieder aufzunehmen scheint ihm persönlich auch mehr Spaß gemacht zu haben als sein doch sehr gequält wirkender Han Solo in Star Wars Episode VII: The Force Awakens (2015). Kaum zu glauben dass er noch immer fit genug ist für die Action- bzw. Kampfszenen. Auch fand ich es gut wie mitgenommen er als gealterter Deckard auf die Konfrontation mit Wallace (Jared Leto) wirkte, als dieser ihm eine detailgetreue Nachbildung seiner verstorbenen großen Liebe, der Replikantin Rachel (eine CGI-technisch jung gerenderte Sean Young) forführt. Die Darstellung der damit verbundenen Gefühlsachterbahn nehme ich Herrn Ford jedenfalls weitaus mehr ab als die eher schlecht gespielte Abziehbildversion des gealterten Han Solo.

 

Blade Runner 2049 Ford Gosling
Blade Runner 2049; Quelle: Sarasota Herald Tribune

 

Contra

 

Blade Runner 2049 leidet, wie schon der Vorgänger aus den 80er Jahren, etwas unter der manchmal schon schwülstig in die Länge gezogenen, für moderne Verhältnisse ziemlich langsamen Erzählweise.

Ja, ich kann gut damit umgehen, dass es eine Weile dauert bis die Haupthandlung in die Gänge kommt. Auch eingehenden Dialogen, theatralischem Schweigen und optisch coolen Kamerafahrten zur Einführung neuer Schauplätzen kann ich persönlich einiges abgewinnen. Gleichzeitig kann ich aber auch nachvollziehen, warum einige Zuseher den Film etwas langatmig finden und sich schwer tun der Handlungsentwicklung mit ihren zahlreichen Andeutungen und Plot Twists bis zum Schluss mit gleich bleibender Aufmerksamkeit zu folgen.

Vor allem im letzen Akt hätte die Geschichte durchaus etwas gestrafft werden können. Der Endkampf vor und in dem abgestürzten Flugauto zieht sich doch ziemlich in die Länge, obwohl ab einem gewissen Punkt eh schon klar ist, dass Luv nicht diejenige sein kann, die am Ende alleine überbleiben wird.

Was ich außerdem nicht so ganz gelungen finde, ist die hoffnungslose Unterbeschäftigung von Jared Leto als mysteriöser Gegenspieler Wallace, der Schöpfer einer ganz neuen Generation von Replikanten, die er einerseits an die Spitze der Schöpfung stellen will, aber dann auch wieder vollkommen irrational ermordet, wenn ihm gerade danach ist.

Statt der doch ziemlich in die Länge gezogenen Kampfsequenz zwischen K und Luv hätte man die Laufzeit wohl lieber mit etwas mehr Details zu Wallace‘ kryptischen Plänen und Zielen füllen sollen. Mich hätte das jedenfalls sehr interessiert. Wie kam es zum Verlust seiner Augen, die durch gruselige, eigenständig herumfliegende Kameras ersetzt wurden ? Ist Wallace selbst ein Replikant der andere Replikanten züchtet ? Eventuell wurde hier ja auch schon mal prophylaktisch für eine weitere Fortsetzung vorgearbeitet. In diesem Fall müsste man mal sehen in wie fern sich das am Ende auszahlt.

 

Fazit

 

Wer den originalen Blade Runner (1982) mochte, wird definitiv auch Freude an der Fortsetzung haben die, wie ich finde zurecht, als eine der gelungensten, wenn nicht sogar DIE gelungenste ihrer Art bezeichnet wird. Sie steht damit quasi als Vorbild dessen was eine herausragende Filmfortsetzung ausmacht:

Die Geschichte gibt sowohl darüber Aufschluss was in den 35 Jahren dazwischen passiert ist, als auch einen Ausblick darauf was danach noch alles folgen könnte. Gleichzeitig werden alte Handlungselemente wieder aufgegriffen und erweitert, ohne redundant oder ausgelutscht zu wirken. Vielmehr wird auf den alten Mysterien und unseren Lösungsspekulationen aufgebaut, diese verdreht und umgeworfen, und dann am Ende wieder neu zusammen gesetzt, so dass man auch diesen Film sicher ein paar Mal ansehen wird müssen um alle Nuancen an Andeutungen und Stoff für erneute Spekulationen zu entdecken.

Ich bin sehr froh darüber, dass Regisseur Denis Villeneuve es geschafft hat, die hohen Erwartungen, die nach dem Erfolg von Arrival (2016) in ihn gesetzt worden waren, nicht nur zu erfüllen, sondern sogar noch um einiges zu übertreffen.  Zusammen mit allen anderen daran beteiligten Talenten hat er eine Fortsetzung geschaffen, die den alten Film aus den 80ern würdigt, aber gleichzeitig auch etwas vollkommen Eigenständiges erschafft, das auch ohne Vorkenntnisse von der neuen Generation an ZuseherInnen genossen werden kann. Wobei ich schon empfehle sich beide Filme als Gesamtwerk anzusehen. falls genug Zeit und Muße vorhanden, den ersten Film auch in verschiedenen Schnittversionen.

Blade Runner 2049 erhält von mir daher 5 von 5 Krokis, wobei eines davon ein Hologramm ist, welches eine eigene Seele entwickelt hat und darauf hofft in einem portablen Speicher weiter leben zu dürfen, falls seine Ursprungsfestplatte irgendwann den Geist aufgeben sollte. Die andere träumen von Origami- bzw. Holzpferden und fragen sich, ob das Holokroki sie wirklich liebt oder nur dazu programmiert wurde.

 

cropped-kroki.jpg  cropped-kroki.jpg  cropped-kroki.jpg  cropped-kroki.jpg  cropped-kroki.jpg   5 / 5

 

Wie hat euch dieser Film gefallen ? Top oder Flop ?

Eure Infos, Fragen und Antworten könnt ihr wie immer in den Kommentaren posten.

Über Rückmeldung freue ich mich immer !

 

 

2 Gedanken zu „Blade Runner 2049 (2017) – synthetische Menschen die von Hologrammen träumen

  1. Hi! Ich bin mir noch nicht sicher wie ich Villeneuves Blade Runner finde. 5/5 sind es bei mir aber sicher nicht. Dafür war er viel zu lang und stellenweise trotz der tollen Optik auch zäh. Jared Leto fand ich (wie schon als Joker) unfassbar schlecht.
    Trotzem gab es viel, das mir gefallen hat. Gleichzeitig gab es auch viel das einen eigenen Film wert gewesen wäre und BR noch länger gemacht hat. Die angesprochene Joi Thematik wäre da so ein Beispiel. Ich finde auch, dass man hier individuell interpretieren kann, ob sie Gefühle für K hat oder ihr Verhalten lediglich programmiert war. Für mich ging es eher in die Richtung der zweiten Möglichkeit. Die Szene mit dem übergroßen Werbehologramm gab bei mir dazu den Ausschlag. 🙂
    Ich muss wohl noch ein paar Wochen darüber nachdenken und mir den Film mit etwas Abstand (und ohne Kino-Technik) noch mal anschauen, um mir ein Urteil zu bilden. Jedenfalls eine sehr schöne Besprechung.

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  2. Ja, Jared Leto war in beiden Filmen irgendwie unterbeschâftigt und wirkte irgendwie nicht so ganz zur eigentlichen Geschichte zugehörig. Seltsam, dass um ihn aber trotzdem immer ein Hype im Vorfeld entsteht.
    Ich denke er könnte durchaus mehr, wenn man ihn lassen würde.

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