Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I’m not. (The Major)
(Vorsicht Spoiler!)
Gleich vorweg, ich kenne die Animeversion dieser Geschichte (1995 von Regisseur Mamoru Oshii) nicht und habe auch den Manga von Masamune Shirow (1989) nicht gelesen, welcher beiden Filmen als Vorlage diente. Ich ging also wieder einmal vollkommen blank in einen Film, bei dem sich die Kritiken scheiden, je nachdem mit wieviel Vorwissen das Dargebotene aufgenommen und analysiert werden kann. Persönlich kann ich nur von meinen eigenen Wahrnehmungen ausgehen, kann aber auch verstehen dass andere Menschen ganz andere Zugänge zu diesem Stoff haben können.
Handlungsbogen
Zu Beginn des Films werden wir Zeuge wie ein junges Mädchen nach einem angeblichen Unfall in ein Labor eingeliefert wird. Ihr Körper überlebt nicht, aber ihr Gehirn wird in einen eigens dafür gebauten Androidenkörper transferiert. Kurz darauf wird außerdem beschlossen, dass dieses neu entstandene Wesen in die Sektion 9, eine Art Spezialeinheit zur Terroristenbekämpfung, überstellt werden soll.
Das Hybridwesen (Scarlett Johansson), im Folgenden Major Mira Killian oder kurz Major genannt, bekommt es relativ bald mit einem mysteriösen Gegenspieler namens Kuze (Michael Pitt) zu tun. Dieser fungiert als Puppenspieler hinter den Kulissen und dirigiert gehackte Androiden und Roboter, welche verschiedene Attentate verüben und wichtige Geheiminformationen rund um die Firma Hanka stehlen. Das ist jene Firma, die auch für die Schöpfung von Major verantwortlich ist.
Dem Major zur Seite stehen dabei der grummelige aber gutmütige Söldner Batou (Pilou Asbaek), sowie die Geheimagenten Han (Chin Han), Ldriya (Danusia Samal) und Ishikawa (Lasarus Ratuere), sowie der nicht weniger mysteriöse Leiter der Spezialeinheit, Mr. Aramaki (Takeshi Kitano).
Major selbst hat im Laufe der Handlung immer öfter seltsame Visionen von einem Ort der in Flammen aufgeht. Von der Wissenschaftlerin Dr. Ouelet (Juliette Binoche) werden diese als Glitch in der Programmierung bezeichnet und nicht weiter diskutiert. Im Zusammenhang mit ihrer Suche nach dem geheimnisvollen Kuze und seiner Motivation für die Attentate bekommen sie jedoch zunehmend größere Bedeutung. In Mr. Cutter (Peter Ferdiando), dem profitorientierten CEO der Firma Hanka, findet sich außerdem ein weiterer Gegenspieler, der mit allen Mitteln verhindern will, dass Major mehr über ihre eigene Herkunft und die seltsamen Zusammenhänge zwischen ihr und dem Terroristen Kuze erfährt.
Am Ende bekommen wir, etliche wunderschön choreographierte Kampfsequenzen später, eine gewissen Auflösung der gesamten Origin Story, aber natürlich nur so weit dass der Pfad für eine eventuelle Fortsetzung auf der großen Leinwand offen bleibt. Unter anderem stellt sich heraus, dass das Ableben von Majors menschlichem Körper, damals noch unter ihrem echten Namen Motoko Kusanagi bekannt, kein Unfall war, sondern durch die Firma Hanka selbst herbeigeführt wurde. Diese wollte sich einer unangenehmen Technologiekritikerin entledigen, indem sie ironischerweise genau dieses Gehirn in einen Androidenkörper verpflanzten, den sie durch Gedächtnismanipulation und Reprogrammierung für ihre Zwecke einsetzen konnten.
Pro
Die größte Stärke dieses Films ist die unglaublich detailreich und aufregend realistisch gestaltete Welt, welche optisch um die Geschichte herum gebaut wurde. Die Stadt in der die Handlung spielt zeigt sich als eine Mischung aus asiatischer Millionenmetropole, Steampunk-Zukunft wie in Blade Runner und Bauelementen aus The Fifth Element, Minority Report und diversen anderen Science Fiction Klassikern, in denen futuristische Stadtarchitektur eine ähnlich zentrale Rolle spielte. Die Zukunft der Menschheit, welche sich in der Architektur dieser Welt widerspiegelt, ist dementsprechend dystopisch: Dreckige Viertel für mit elendshohen, schäbigen Wohnbauten für die Normalbevölkerung; atemberaubend schöne, technologisch hochentwickelte Büros für die kapitalistische Führungselite. Dazu passend bekommen wir auch einige sehr kreative Wege gezeigt, wie menschliche Körper einmal aussehen könnten, wenn sie mit immer mehr technischen Hilfsmitteln und Ersatzteilen versehen werden. Am beeindruckendsten sind dabei Batous Cyberaugen, die ihm nach einem Einsatzunfall eingebaut werden, Kuzes halbfertiger Körper und natürlich der Androidenkörper des Majors selbst.
Scarlett Johannson macht meiner Meinung nach eine sehr gute Figur als Hybrid zwischen Mensch und Maschine, die ihre Andersartigkeit optisch mit stoischer Miene und eigenartig ruckelndem Gang zur Schau stellt. Einige KritkerInnen sehen darin mangelnden Tiefgang der Figur. Diesem Urteil kann ich mich jedoch nicht anschließen. Gerade diese stereotypen Bewegungsmuster erinnern mich als Zuseherin immer daran, dass wir hier keinen Menschen vor uns haben, auch keine Maschine, sondern etwas Neues, komplett Andersartiges.
Contra
Der Film arbeitet zwar die üblichen Probleme eines Androiden, bzw. hier eines menschlichen Geistes im Androidenkörper, sehr gut heraus, aber er er geht nicht wirklich weiter und präsentiert uns Zusehern, die einige ähnliche Geschichten, wie z.B. den vorhin schon genannten Blade Runner, gesehen haben, keine gänzlich neuen Ideen.
Die Handlungsentwicklung, sowie das Ende des Films, sind nicht nur für Kenner der Animevorlage ziemlich vorhersehbar. Die Bösartigkeit des machthungrigen Widersachers Cutter und die Opferungsbereitschaft von Dr. Ouelet für ihre Schöpfung sind sehr genretypische Elemente, welche in zahlreichen anderen Filme schon mehr als ausgeschlachtet wurden. Dass eine Hauptfigur mit gelöschtem Gedächtnis auf der Suche nach ihrer früheren Identität unangenehme Informationen ausgräbt, ist auch nichts Neues. Ebenso sind die Nebencharaktere leider nur eine nett gemeinte, aber für die Handlung fast schon belanglose Staffage. Sie dürfen Major zwar in einigen Szenen unterstützen, haben aber selbst keine wie auch immer geartete Charakterentwicklung und auch keine wirklich nennenswerten Einzelszenen, in denen wir mehr über deren Hintergründe und Motivationen erfahren.
Der Vorwurf des angeblichen White Washings, der vor allem durch den Einsatz eines großteils westlichen Ensemble-Casts statt asiatischer DarstellerInnen aufgebracht wurde, kommt mir persönlich etwas übertrieben vor. Ich finde dass das Engagieren asiatischer SchauspielerInnen die Schwachstellen des Films auch nicht wirklich in Vorteile verwandeln könnte. Es ist aber natürlich auffällig, dass neben der Hauptrolle auch einige Nebenrollen mit Nichtasiaten besetzt sind, bei denen es keinen wirklich erklärbaren Grund dazu gibt. Außer vielleicht den, dass man in der Produktion darauf achten wollte auch andere Minderheiten, wie z.B. Afroamerikaner, zu repräsentieren, was ja eigentlich eine positive Motivation ist. Durch fortschreitende Globalisierung ist außerdem anzunehmen, dass in der Zukunft wohl überall sehr viel Bevölkerungsvielfalt herrschen wird. Daher scheint es mir plausibel, dass es neben asiatisch aussehenden Bewohnern der Großstadt auch sehr viele gibt die aus anderen Ecken der Welt dorthin gekommen sind, vielleicht auch schon seit Generationen dort leben.
Was ich bei weitem störender finde, ist die Tatsache, dass wir den ganzen Film über zwar eine stimmige optische Hülle präsentiert bekommen, aber leider keine nennenswerten philosophischen Erkenntnisse gewinnen. Soweit ich weiß, sollen die Mangavorlage (1989) und der Anime (1995 da) mehr Aufschluß geben. Warum Drehbuchautor Jamie Moss und Regisseur Rupert Sanders die darin aufgeworfenen philosophischen Fragen und Konzepte nicht in die Realverfilmung mit übernommen haben, erschließt sich mir irgendwie überhaupt nicht.
Fazit
Ich fühlte mich durch Ghost in the Shell gut unterhalten. Die visuellen Effekte sind top und erlauben es den ZuseherInnen tief in die Welt einer möglichen Zukunft einzutauchen. Da die Geschichte aber trotz schöner Hülle nur sehr wenig philosophischen Geist enthält, kann ich ingesamt leider nicht mehr als 3 von 5 Krokis vergeben. Jedenfalls habe ich jetzt echt Lust bekommen, mir den Anime anzusehen um ihn mit der offensichtlich gut gemeinten, aber inhaltlich offenbar etwas zu komprimierten Realverfilmung vergleichen zu können !
3 / 5
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