Harry Potter und das verwunschene Kind (Hamburg, August 2022)

Hamburg ist immer eine Reise wert und lässt sich super mit dem Besuch neuer Shows oder Theateraufführungen verbinden. Normalerweise heißt das bei mir Musical Show besuchen. Da im August 2022 aber neben dem schon sehr lange unverändert laufenden König der Löwen gerade keine anderen Musicals aufgeführt wurden, die mein Interesse geweckt hätten, fiel die Wahl diesmal auf eine etwas andere Art von Theater-Show-Hybrid: die deutschsprachige Produktion von Harry Potter and the Cursed Child.

Gleich vorweg: Ja, es ist mir bewusst, dass große Teile des Blog-/Vlog-/ und Social Media Universums gerade nicht sehr gut auf J.K Rowling, die Schöpferin des Harry Potter Universums, zu sprechen sind. Die sie umgebenden Kontroversen hinsichtlich transfeindlicher Äußerungen und seltsamen Ansichten zum Thema Geschlechteridentität haben sogar einen eigenen Wikipedia Eintrag. Im Sinne des literaturtheoretischen Konzepts Tod des Autors möchte ich mich in meinem Blogartikel aber nicht mit der Schöpferin der Harry Potter Bücher befassen, sondern ein auf ihrem Input basierendes Werk, das von dem Dramatiker John Thorne geschrieben wurde, getrennt von der Person J.K. Rowling betrachten.

Das Englische Original Skript zum Theaterstück hatte ich, kurz nach dessen Erscheinen, Ende 2016 schon gelesen. Meinen Blogartikel, inklusive Gedanken zum Plot und den Hauptcharakteren, findet ihr hier. In meinem Fazit hatte ich damals folgendes notiert:

Das Skript zum Theaterstück ist schnell gelesen und ich fand die Adaption des Stoffes in ein neues Genre durchaus gelungen, wenn auch nicht banhbrechend oder sensationell.

Die Verwendung des Zeitreise-Elements finde ich auch sehr gelungen. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich diese Art von Geschichten generell sehr gerne lese und sehe. Daher stört es mich auch nicht, dass mich einige Szenen sehr stark an die Erzählweise in der TV Serie Doctor Who erinnern und beide Franchises in letzter Zeit mehr oder weniger subtil aufeinander Bezug zu nehmen scheinen (siehe oben).

Für Leser die es weniger gewohnt sind, Theaterstücke zu lesen, kann die Erfahrung anfangs durchaus seltsam sein. Die harte Kritik einiger Reviewer an dieser Version geht wohl auch zum Teil darauf zurück, dass es manchmal eben schwieriger ist sich in eine Geschichte hinein  zu versetzen, wenn sich der Stil in dem sie geschrieben ist so drastisch von dem unterscheidet was wir bisher von der Buchreihe gewohnt waren.

Im Prinzip deckt sich das auch großteils mit mein Eindruck des live gesehenen Theaterstücks.

Pro

Der Time Turner ist nach wie vor das beste Element der Geschichte, sowohl als Plot Device als auch als visueller Effekt des „pulsierenden Raums“, der auf der Bühne durch eine Mischung aus Projektion und Lichtimpulsen erzeugt wird. Ein ähnlicher Effekt wird sehr oft in Filmen verwendet, um Reisen durch Zeit und Raum darzustellen. Ihn mehrmals live auf einer Bühne zu sehen, war ein für mich bisher einzigartiges Erlebnis, für das allein es sich ein Besuch des Theaterstücks schon mehr als lohnt.

Die Live Show lebt generell vom Zusammenspiel diverser visueller Effekte, die überraschend echt genau das darstellen, was wir aus den Harry Potter Filmen schon als typische Filmeffekte kennen. Dazu gehören z.B. die Verwandlung durch den Vielsaft Trank, das Reisen durch den Kamin und das Betreten des Magie Ministeriums per Teleportation durch den Hörer in einer Telefonzelle.

Ein weiteres Highlight war für mich die Sequenz in der das „verwunschene Kind“ wie eine Mischung aus Vogel und Racheengel an dünnen Drahtseilen von der Decke hängt und mehrere Tricks in diesem Zustand (hängend, schwebend und herabfallend) verbringt, während es nebenbei auch noch sehr komplexe Dialoge mittragen muss. Eine Sequenz, die sehr schnell ins Auge gehen kann, wenn etwas nicht funktioniert oder der/die Darsteller*in (no spoilers an dieser Stelle) es nicht schafft körperliche Anstrengung mit geistiger Fitness zu kombinieren. Hat in der Vorstellung, die ich gesehen habe, aber alles wunderbar geklappt und war wirklich beeindruckend stimmig.

Honorable Mention (Vorsicht: milder Spoiler in diesem Absatz)

Da das Original-Theaterstück so lang ist, dass es in 2 Teilen aufgeführt wird, gab es auch in Hamburg in der Mitte eine längere Pause, die es den Besucher*innen und auch den Schauspieler*innen ermöglichte, zum Essen zu gehen und sich die Beine zu vertreten. Kurz vor dieser Pause findet Scorpius (der Sohn von Draco Malfoy) sich nach Betätigung des Time Turners in einer Parallel-Realität wieder, in der das Böse gesiegt hat, die Zaubererwelt beherrscht und auch die Innendekoration von Hogwarts entsprechend umgestaltet wurde. Ebenso der Souvenir Shop im Foyer des Theaters, der die gesamte Pause lang ausschließlich das Merchandise dieser Parallelwelt zur Schau stellte. Ein amüsantes Detail, das für ein immersives Gesamterlebnis sorgte und dazu beitrug, die Stimmung, in der das Publikum sich am Ende des 1. Teils befindet, auch während und nach der Pause aufrecht zu erhalten.

Contra

Rein inhaltlich hätte die Geschichte auch dann noch ausführlich genug erzählt werden können, wenn die Laufzeit des Theaterstücks um mindestens die Hälfte gekürzt worden wäre. Am Broadway gab es eine Version, in der genau so verfahren und das Stück auf eine normale Zeitspanne herunter gebrochen wurde. Auch in Hamburg soll 2023 voraussichtlich auf die komprimierte Fassung umgestellt werden.

Streckenweise wären die mehrmaligen Wiederholungen der Effekte des Time Turners, des Rutschen durch den Kamin o.ä. in der Langfassung schon fast langweilige geworden, wenn sie nicht so verdammt cool wären …

Ich kann mir vorstellen, dass vor allem jüngere Zuseher*innen nicht den dazu notwendigen Geldbeutel besitzen, einen ganzen Nachmittag + Abend rein nur mit dem Theaterstück und der dazwischen eingeschobenen Mahlzeit, für die man am gemeinsam mit dem Kauf der nicht gerade billigen Eintrittskarten schon eine Reservierung machen sollte, zu verbringen.

Fazit

Das Gesamtpaket der live gespielten Bühnen(Lang-)version möchte ich ein bisschen besser bewerten als den rein durch das Lesen des Skripts gewonnenen Ersteindruck. Während das Skript durchaus in Ordnung, aber nicht bahnbrechend ist, reißen die Spezialeffekte die Bühnenversion eindeutig aus der Mittelmäßigkeit heraus. Der Time Turner Effekt ist und bleibt dabei mein Lieblingselement, an das ich mich voraussichtlich noch Jahre später mit glänzenden Augen erinnern werde.

Hinsichtlich finanzieller und zeitlicher Ressourcen muss ich fairerweise einen Punkt abziehen. Angesichts der nicht so rosigen Gesamtwirtschaftslage fühlte ich mich beim Besuch von „Harry Potter und das verwunschene Kind“ schon ein bisschen dekadent und habe fast schon ein schlechtes Gewissen mich darüber zu freuen, dass es mal wirklich ein ganz anders strukturiertes Theatererlebnis war als das, was ich als „normal“ bezeichnen würde.

Harry Potter und das verwunsche Kind (Hamburg, August 2022) erhält von mir daher 4 von 5 Krokis, die erfolgreich aus der bösen Parallelwelt wieder in unsere – aktuell etwas durchwachsen gut/böse – Realität zurück gekehrt sind.

Wie hat euch das Skript des Theaterstücks gefallen ? Habt ihr die Produktion in London oder Hamburg gesehen?

Eure Eindrücke, Fragen, Anmerkungen könnt ihr in den Kommentaren posten.

Über Rückmeldungen freue ich mich immer !

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