Arrival (2016) – ein Plädoyer für die Gleichwertigkeit von Geistes- und Naturwissenschaften

(milde Spoiler)

Arrival ist auf meiner Liste einer der besten, wenn nicht sogar der beste Film des Jahres 2016. Vor allem weil er sich so angenehm von den großen Blockbustern abhebt und in relativ langsamem Tempo eine sehr spannende, komplexe und  gedankenanregende Geschichte erzählt, die ein Ende beinhaltet über das in Zukunft wohl noch viele Artikel, Analysen und philsosophische Texte geschrieben werden.

In traditionellen Science Fiction Filmen mit ähnlichen Prämissen wurde bisher entweder garnicht mit den Aliens kommuniziert und gleich geschossen (z.B. War of the Worlds, Independence Day) oder die Außerirdischen passten sich an die Erdbevölkerung an  und erlernten unsere Sprache um Kontakt mit den Menschen aufzunehmen und diesen zu erklären welchem Zweck der Aufenthalt der Aliens auf unserem Planeten diente (z.B. The Day the Earth stood still, Alien Nation, Star Trek First Contact).

Arrival geht hier einen neuen Weg, der mir um einiges realistischer erscheint, da beide Parteien – Aliens und Menschen – zuerst einen Weg finden müssen an die jeweils andere Denk- und Kommunikationsweise anzuknüpfen und dies natürlich nicht von einer Minute auf die andere gelingt, sondern Zeit braucht und notwendigerweise auch Verzögerungen und Mißverständnisse auf dem Weg mit einschließt.

Kommunikation als Basis von Erkenntnis und Wissenstransfer

Die Hauptrolle im Film übernimmt die unglaublich wandelbare Amy Adams als Dr. Louise Banks eine Linguistin die aufgrund ihrer tragischen Vergangenheit mehr in ihrer Arbeit an der Universität aufgeht als in ihrem fast nicht existenten Privatleben. Zusammen mit dem Physiker Dr. Ian Donnelly (Jeremy Renner)  wird sie vom amerikanischen Militär (Forest Whitaker als Colonel Weber) zu Hilfe gerufen als 12 außerirdische Raumschiffe auftauchen und sich an 12 verschiedenen Punkten auf der Erde niederlassen.

Bevor mit den Aliens, wie von Physiker Ian vorgeschlagen, über mathematische Gleichungen und Fibonacci Folgen oder gar, wie vom Militär gewünscht, über die eigentlichen Hintergründe der Kontaktaufnahme  diskutiert werden kann, muss einmal eine gemeinsame Sprache als Basis von Gedankenaustausch, Erkenntnis und Wissenstransfer geschaffen werden.

Was mir als Absolventin eines Sprach- und Philosophiestudiums besonders gefällt ist, dass im Laufe des Films mehrmals darauf Bezug genommen wird, dass für eine fruchtbare Diskussion über Fachthemen auch immer eine gemeinsame gedanklich-sprachliche Basis bestehen muss, da sonst nicht einmal klar ist ob das Gegenüber überhaupt versteht was eine Frage ist und was eine Antwort, geschweige denn wie eine Diskussion funktioniert und was diese von einem Streit, einer Auseinandersetzung oder gar Krieg mit dem Gegenüber unterscheidet.

Natürlich braucht die Analyse einer fremden Sprache eine gute Portion an technischer Unterstützung (Audio- und Videoaufnahmen, Analyseprogramme usw.) und mathematischer Zerlegung hinsichtlich Ähnlichkeiten und Unterschieden von Lauten, Worten, Schriftzeichen usw. Auch der Twist am Ende ist eine Mischung aus philosophischen Überlegungen über die individuelle Wahrnehmung von Zeit und Raum und naturwissenschaftlichen Theorien über die Beschaffenheit des Raum- Zeit-Gefüges.

Geistes- und Naturwissenschaften werden hier also  endlich als gleichwertig angesehen, da keine der beiden Wissenschaften wirklich erfolgreich sein kann ohne sich der jeweils anderen zu bedienen.

Meisterwerk mit kleinen Fehlern

Zugegeben, es ist nicht sehr realistisch dass die Linguistin Dr. Banks  sämtliche Sprachen, von Portugiesisch über Farsi zu Mandarin und wer weiß was alles noch fließend sprechen und simultan übersetzen kann. Genauso unrealistisch ist aber im Gegenzug auch die Auffassung dass der Physiker Dr. Donnelly Experte für alle Naturwissenschaften gleichzeitig sein soll. Diese Generalisierungen sind wohl der Tatsache geschuldet, dass Filme einfach besser funktionieren wenn es einige wenige Identifiktationsfiguren gibt die stellvertretend für bestimmte Denkrichtungen stehen, statt einer Horde gesichtsloser Einzelfiguren welche ihren jeweiligen kleinen Teil einer Wissenschafts-Community verkörpern.

Die langsame Handlungsentwicklung kann ebenfalls streckenweise etwas erschöpfend wirken, vor allem wenn man den Film wie ich in einer Spätvorstellung von 23:00 bis 1:00 ansieht. Wahrscheinlich ist das aber auch auf die Tatsache zurück zu führen dass wir durch den Genuß des derzeitigen Mainstream Kinos schon zu sehr an bombastische Verfolgungsjagden, Explosionen und schnelle Schnitte gewöhnt sind, so dass deren Abwesenheit uns beim Zusehen mehr anstrengt als ihnen ständig ausgesetzt zu sein.

Wer damit leben kann wird trotzdem seine Freude an der Geschichte finden können. Wer mehr auf Popcorn-Tschinn-Bumm steht, der/die sollte sich statt dessen wohl doch lieber Independence Day II ansehen. Der Film ist so ziemlich die Antithese zu allem was in Arrival gezeigt und angesprochen wird.

Fazit

Arrival ist ein Film für alle Kinogänger die sich nicht nur durch Effekthaschereien und CGI-Wunderwerke berieseln lassen, sondern Film auch als ein Mittel zum Gedankenanstoß und der Behandlung existenzieller philosophischer Fragestellungen sehen. Das scheint hochgestochen, ist in diesem Fall aber wirklich sehr überzeugend gelungen und hebt sich, wie schon gesagt, äußerst positiv vom gerade vorherrschenden Mainstream Kinoerlebnis ab. Es bleibt zu hoffen, dass Regisseur Denis Vielleneuve diesem Stil auch bei der Realisierung seines nächsten Projektes, der Fortsetzung von Blade Runner, treu bleiben wird !

Der Film Arrival bekommt von mir daher zirkuläre 5 von 5 Krokis die nur dann wirklich verstanden werden können, wenn man die Alien Sprache entziffert.

 

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Habt ihr Arrival schon gesehen ? Wie hat euch der Film gefallen ? Seht ihr ihn genauso oder anders als ich es in meinem Review dargestellt habe ?

Eure Wahrnehmungen, Fragen und Antworten könnt ihr wie immer in den Kommentaren posten.

Über Rückmeldung freue ich mich immer !

 

 

 

3 Gedanken zu „Arrival (2016) – ein Plädoyer für die Gleichwertigkeit von Geistes- und Naturwissenschaften

  1. Ich finde es klasse, dass doch so viele Stimmen auftauchen, die den Film positiv bewerten. Ich liebe ihn – von Anfang an bis zum Schluss und ich hatte schon Angst, dass unsere Gesellschaft so abgestumpft ist, dass sie diese Art von Intelligenz und Durchdachtheit nicht mehr zu schätzen weiß.

    Umso schöner zu erleben, wie in vielen Blogs und Beiträgen dieser Film gelobt und empfohlen wird.

    So long – happy blogging und danke für deine reflektierenden Einwürfe.

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