Rules are for Admirals and Back Offices – I’m out there trying to win a war !
Dieser Ausspruch von Captain Lorca (Jason Isaacs) fasst sehr gut zusammen worum es in der Serie geht: Es herrscht ein erbitterter Krieg zwischen Föderation und Klingonen. Dabei ist wirklich alles möglich, auch wenn (oder gerade weil) manches davon nicht unbedingt den innerhalb der 51-jährigen Entstehungsgeschichte des Star Trek Universums etablierten Grundregeln entspricht.
(Vorsicht Spoiler, ich versuche aber auch nicht alle Details minutiös auszuplaudern)
Als alte Trekkie, die mit der ganz alten Star Trek TV Serie (im Fandom als TOS und im Deutschen Sprachraum damals als als Raumschiff Enterprise bekannt) aufgewachsen ist, komme ich natürlich nicht umhin mir die neueste ST – Inkarnation Star Trek Discovery ebenfalls rein zu ziehen.
Während amerikanische Fans jammern und leiden, weil die Serie in den USA nur im TV oder über den Streamingdienst von CBS All Access zugänglich ist, haben wir in Europa das Privileg sie über bereits bestehende Netflix Accounts sehen zu können, was mir sehr entgegen kommt. Trotzdem versuche ich die Folgen einzeln und kurz nach ihrem Erscheinungstermin anzusehen statt sie am Stück zu bingewatchen. Auch das gehört für mich ein bisschen zum Retro-Nostalgie-Feeling, das ich ebenso stark mit Star Trek verbinde wie bunte Aliens, philosophisch-moralische Dilemmata rund um die Nicht-Einmischungs-Direktive und ein unendlich ideenreiches Universum, dem die Protagonisten mutig, offen, klug und zukunftsorientiert gegenüber treten.
Ob Star Trek Discovery imstande ist die riesigen Fußstapfen seiner Vorgänger auszufüllen, könnt ihr in diesem Reviews nachlesen.
2 neue Erkenntnisse und ein Todesfall
Folge 1 The Vulcan Hallo und Folge 2 Battle at the Binary Stars sind optisch und stilistisch hervorragend gelungene Einstiegsepisoden, die vor allem dem Worldbuilding und der Einführung des Hauptcharakters Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) dienen. Aus ihrer Perspektive erleben wir die besonders einschneidenden Ereignisse mit, welche sich an Board des Raumschiffes Shenzou zutragen und unsere Hauptfigur für den Rest der Serie sehr stark prägen werden.

Erkenntnis Nr. 1
Die Vergangenheit der Zukunft ist ziemlich wandelbar. Klingonen sehen in diesem Prequel, ca. 10 Jahre vor Captain Kirks Abenteuern mit der Enterprise, wie Echsen in Exoskelettrüstungen aus. Die neuen/alten Starfleet Uniformen sind ebensoviele Farbnuancen von den bunten Shirts der Original Star Trek Crew entfernt wie die dunkle 2017 Zukunfts-Innenausstattung von der Buntpapier-und-Pappendeckel-Optik der 1960er. Aber auch die Handlung bewegt sich, für Star Trek Serienverhältnisse eher untypisch, sehr schnell und ohne Umschweife in Richtung Konflikt zwischen allen Beteiligten.

Krieg, welcher in der alten TV Serie nur die Ausnahme war falls alle andere Optionen schon völlig ausgeschöpft waren, wird in Star Trek Discovery zur Normalerscheinung erklärt. Ach ja, und Starfleet-Kommandanten können über Hologrammprojektion miteinander kommunizieren. Wird es auch dafür eine plausible Erklärung geben, dass sie das weder bei TOS noch bei NextGen, DS9 oder Voyager könnten, welche alle noch weiter in der Zukunft liegen ??
Erkenntnis Nr 2
Spocks Vater Sarek (James Frain) hatte vor dem Eintritt seines Sohnes in die Föderations-Sternenflotte schon einen anderen Joker im Spiel. Die menschliche Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) wurde nach dem tragischen Tod ihrer Eltern von Sarek aufgezogen und sogar auf die Vulcan Science Academy geschickt. Während Sarek auf seinen Sohn später garnicht gut zu sprechen sein wird, als dieser beschließt der Sternenflotte beizutreten, ist das bei Burnham garkein Problem. Wobei ich fairerweise erwähne, dass in Folge 6 Lethe etwas mehr über die genauen Zusammenhänge bekannt wird.

Sarek musste sich offensichtlich entscheiden welchen seiner Schützlinge er lieber in der vulkanischen Raumfahrtelite untergebracht haben wollte. Seine Wahl fiel auf Spock und als der später nicht den Wünschen seines Vaters folgt, ist dieser natürlich not amused. Was mich an der Sarek Backstory stört ist die Tatsache, dass Burnham an Bord der Shenzou praktisch Meuterei begeht, den Captain K.O. schlägt und auch sonst die meisten Befehle mißachtet, doch das alles für Sarek anscheinend irgendwie logisch erklärbarer ist als die Entscheidung seines Sohnes, ebenfalls lieber der Sternenflotte beizutreten.
Sarek riskiert sogar sein Leben, als er während des Kampfes mit den Klingonen in Folge 2 Battle at the Binary Stars telepathischen Fernkontakt mit Burnham aufnimmt. Was im übrigen auch kein Vulkanüber danach mehr tun wird können. Ach fuck continuity, das ist jetzt auch schon egal…
Der tragische Todesfall
(Vorsicht Spoiler !!)
Ich hatte mich sehr gefreut als ich vor Beginn der Ausstrahlung dieser neuen Serie erfuhr, dass Michelle Yeoh (mir bekannt als Agentin Wai Lin in James Bond: Tomorrow never dies (1997) und Xiu Lien im Kung Fu Epos Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000) ) die Rolle der Captain Philippa Georgiou übernehmen würde.

Mrs Yeohs Akzent ist, wenn sie rasch spricht, auch nach jahrelanger Tätigkeit im amerikanischen Filmbusiness noch immer nicht so wirklich gut verständlich, aber andererseits könnte ich wohl auch nie so gut Mandarin lernen, um es akzentfrei zu sprechen, wenn ich gleichzeitig auf 300 andere Dinge achten müsste. Von daher also ok.
Was mich an dieser Figur weitaus mehr stört ist die Tatsache, dass sie nach 2 sehr interessanten Folgen das Zeitliche segnet und (wie wir in Folge 4 The Butcher’s Knife cares not for the Lamb’s Cry am Rande erfahren) von ihren Feinden aufgegessen wird. Also keine Möglichkeit sie außerhalb möglicher Flashbacks noch einmal (über)lebend in die Handlungsentwicklung einzubinden. Außer die Klingonen haben unabsichtlich eine andere Leiche gegessen, dann könnte Captain Georgiou theoretisch auch auf mirakulöse Weise wieder zum Leben erwachen. Bei der Art und Weise wie die Serie mit Kontinuität im Star Trek Universum umgeht, wäre ja offenbar so ziemlich alles möglich.
Schlaf gut, mein kleines Tardigrade
Der Mini-Storyark, der sich um die Geschichte des Tardigrade (Alien in Form eines auf Menschengröße angewachsenen Bärtierchens) dreht, gefiel mir persönlich sehr gut. Wohl auch ein bisschen aufgrund der Tatsache, dass es mich an die optisch ebenso seltsame und anfangs fälschlich für ein böses Monster gehaltene Horta (aus der TOS Folge Devil in the Dark) erinnert. Eines meiner Lieblings-ST-Aliens, neben den Tribbles (TOS The Trouble with Tribbles) und dem einhörnigen Hund (TOS Mirror Mirror).
In unserem real existierenden Universum sind Tardigrada = Bärtierchen oder Wasserbären winzig kleine Mikro-Organismen. Die Bezeichnung kommt aus dem Lateinischen und bedeutet tardus = langsam / gradus = Schritt, was wohl auf die langsame Fortbewegungsart anspielt.

Ist eigentlich sonst noch jemandem der phonetisch-semantische Zusammenhang zwischen den beiden Bezeichnungen TARDIS (Zeitreisende Raumschiff- Telefonzelle aus Doctor Who) und TARDIgrade aufgefallen? Beide Begriffe enthalten nicht nur die gleiche Silbenkombination TAR-DI, sondern bezeichnen auch jeweils eine Entität welche die Fähigkeit besitzt aus eigener Kraft durch Raum und Zeit zu reisen.
Im Whoniversum ist TARDIS die Abkürzung für Time and relative Dimension in Space. Offensichtlich ist einem der Autoren von Star Trek Discovery aufgefallen, dass ein real existierendes Mikrolebewesen mit der Bezeichnung Tardigrade existiert. Weiters hat der/diejenige es lustig gefunden daraus ein Star Trek Alien zu machen, welches einige Fähigkeiten hat, die als Hommage an des Doctors TARDIS verstanden werden können.
An Zufall glaube ich hierbei eher weniger. Schließlich borgen Star Trek und Doctor Who, die ja beide schon seit mehr als 50 Jahren die Science Fiction TV Serienlandschaft führend mitgestalten, ständig Ideen und Konzepte voneinander aus.
Experimenteller Spore Drive und bekiffte String Theorien
Eines der interessantesten Konzepte der neuen Star Trek Serie ist der im Experimentierstadium befindliche Spore Drive = Antrieb, welcher auf der Wechselwirkung zwischen einem Tardigrade (als unfreiwilliger Pilot) und den Sporen eines Weltraumpilzes beruht, die sich in einem von Pilzen gebildeten Netzwerk bewegen, welches das ganze Universum ( und eventuell noch einiges mehr) umspannt. Aufgrund der wahnwitzigen Erklärung seiner Existenz könnte dieses Konzept auch ohne Weiteres der turbulenten, und oft auf recht hirnrissigen Zusammenhängen basierenden, Welt des Timelord Doctors aus Doctor Who entsprungen sein (wobei es dort noch nicht auftauchte, aber auch das kann ja noch werden).
Fairerweise muss ich Star Trek Discovery hier zugute halten, dass die bekiffte Erklärung wissenschaftliche Wurzel in realen, sprich in unserem Universum existietenden, Phänomenen zu haben scheint. In dieser Hinsicht offenbart sich wieder einmal die Stärke der Star Trek Serie gegenüber ihren zahlreichen, über die Jahrzehnte parallel entwickelten Konkurrenten. Jede noch so wahnwitzige Idee hat irgendwo ihren realen Kern. Star Trek betont dadurch auch immer die Wissenschaft = Science in der Wortkombination Science Fiction.
Spieglein, Spieglein an der Wand
Wo wir gerade bei Parallelen zwischen Star Trek und Doctor Who sind: Auch das Konzept des Spiegeluniversums, in dem historisch wichtige Ereignisse eine vom normalen Universum abweichende, tendenziell negative Wendung nehmen und dadurch eine nicht gerade liebenswürdige Pallelwelt entsteht, gibt es mittlerweile in beiden Serien.
Konkret denke ich da an die Doctor Who Folge Turn Left (2008) in der Donna Noble (ein Companion des 10. Doctors) aufgrund einer Manipulation durch feindliche Aliens an einen entscheidenden Zeitpunkt in ihrer Vergangenheit zurück kehrt und dazu gebracht wird, an einer Straßenkreuzung links abzubiegen statt rechts. Sie landet dadurch in einer Parallelwelt, in der sie nie mit dem Doctor zusammen traf, dieser von Aliens getötet wurde und die Erde im Begriff ist von eben Aliens übernommen zu werden.
Die Ursprungsidee gehört in diesem Fall aber ganz klar wieder zur Original Star Trek Serie der 1960er Jahre. Etabliert wurde das böse Spiegeluniversum in der TOS Folge Mirror, Mirror (1967), als Captain Kirk während eines Beam-Transportvorgangs unabsichtlich in ein Paralleluniversum befördert wird, in dem die Enterprise kein Forschungsraumschiff ist, sondern auf permanenter Kriegsmission. Die Föderation der vereinten Planeten wurde in diesem „bösen“ Universum durch das machtgeile Terran Empire ersetzt. Dementsprechend düster ist auch die Gemütsverfassung der Crew, die genau das Gegenteil der bunten, gut gelaunten, zukunftsorientierten Original Enterprise Mannschaft darstellt.
Dem Ursprungskirk bleibt nichts anderes übrig als zu versuchen da solange mit zu spielen, bis dem Parallelspock und jenem auf der Originalenterprise die zündende Idee kommt, wie sie ihre jeweiligen Captains wieder in die dafür vorgesehenen Universen zurückholen können. Gleichzeitig müssen der erste Offizier Spock und Chefarzt Bones aka Pille aka Dr. McCoy sich im Normaluniversum mit dem für ihre Begriffe ziemlich durchgeknallten, bösartigen Kirk herumschlagen.
Interessant ist dabei übrigens, dass der Parallelspock zwar auch eine etwas negativere Version seiner selbst ist, aber im Vergleich zu den anderen Figuren im Spiegeluniversum noch immer sehr vulkanisch-logisch agiert und Kirk sogar dabei hilft sich zu tarnen bis eine adäquate Lösung gefunden werden kann.
Was hat das nun alles mit Star Trek Discovery zu tun? Nun ja, soweit ich die zahlreichen Diskussionen on- und offline richtig interpretiere, eine ganze Menge. Da es ein offizielles Statement der Produktionscrew gibt, in dem davon die Rede ist, dass das Spiegeluniversum in der ersten Staffel eine Rolle spielen wird, ist den Spekulationen praktisch keine Grenze gesetzt. Im Prinzip kann alles, was sich anhand der Geschehnisse in den ersten 6 Folgen (noch) nicht zusammen reimt, mit der Existenz eines Paralleluniversums erklärt werden.
Vor allem in den Folgen 5 Choose your pain und 6 Lethe gabe es einige Szenen und Dialogelemente, die darauf hinweisen, dass zumindest mit einer ganz bestimmten Person etwas gravierend nicht zu stimmen scheint. Besonders wild sind die Spekulationenn vor allem nach der Ausstrahlung der Folge 6, in der Admiral Cornwell (Jayne Brook) nach einer äußerst beunruhigenden Begegnung mit Captain Lorca (Jason Isaacs) von den Klingonen entführt wird.

Die zahlreichen Einzeltheorien lassen sich dabei grob in folgende Kategorien einteilen:
- Wir bewegen uns im normalen ST Universum, mindestens 1 Crewmitglied der Discovery ist aus dem Spiegeluniversum herüber gewechselt.
- Wir befinden uns die ganze Zeit im Spiegeluniversum, mindestens 1 Crewmitglied der Discovery ist vom Normaluniversum herüber gewechselt.
- Die Crew der Discovery springt stàndig zwischen Normal-und Spiegeluniversum herum, aber höchstens 1 Crewmitglied weiß, dass dem so ist.
Fazit
Nach Sichtung der ersten 6 Folgen von Star Trek Discovery bin ich mir noch immer nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. Einerseits gefallen mir die exzellenten optischen Effekte, die allgemeine Aufmachung und neuartige Konzepte wie das Tardigrade oder der Spore Drive ausgesprochen gut. Andererseits nervt mich allerdings die zunehmend grotesker werdende Diskrepanz der Handlung zu bereits sei Jahrzehnten etablierter Kontinuität im ST Universum.
Ob das alles eine halbwegs plausible Auflösung finden wird, ist wünschenswert, aber durchaus fraglich. Für mich werden daher die nächsten Folgen der ersten Serienstaffel von Star Trek Discovery entscheiden dafür sein, ob ich als alte Trekkie mit dem Endergebnis zufrieden sein kann, oder auch nicht.
Klar gibt es eine gewisses Maß an Toleranz für scheinbare Kontinuitätsprobleme, das der/die Zuschauer/in erstmal überwinden muss um offen zu sein für alles was in dieser Serie passiert. Wer das aushält und mag, wird sicher seinen/ihren Gefallen daran finden. Ich kann jedoch auch verstehen, wenn eingefleischte Trekkies, die über Jahrzehnte hinweg an althergebrachte Erzählweisen gewöhnt wurden, nicht ganz so positiv auf die oben angesprochenen Neuerungen reagieren.
Was mich persönlich angeht, hat sich das Durchhaltevermögen bisher schon mehr als gelohnt. Seltsames Star Trek ist immer noch besser als garkein Star Trek. Spekulieren, diskutieren und Theorien spinnen ist sowieso mein Hobby. Ich vergebe für die ersten 6 Folgen von Star Trek Discovery daher 3,5 von 5 Krokis, wovon mindestens eines aus dem bösen Spiegeluniversum kommt und versucht dem Fandom in unserem Universum einen Spiegel vorzuhalten.
3,5 / 5
Es gibt nichts das nur gut oder böse bzw. gut oder schlecht ist. Das Auge des Betrachters ist das was wirklich zâhlt.
In diesem Sinne:
Quap’La !
Live Long and Prosper !
Keep on trekkin‘ !
Fragen an die Leserschaft
Habt ihr der neuen Star Trek Serie schon einen Besuch abgestattet? Wie haben euch die ersten 6 Folgen gefallen und was erwartet ihr von der Fortsetzung?
Eure Infos, Fragen und Antworten könnt ihr wie immer in den Kommentaren Posten.
Über Rückmeldung freue ich mich immer!
[…] meine Gedanken zu den Folgen 7-9 zusammen zu fassen. Den Artikel zu den ersten 6 Folgen könnt ihr hier […]
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