Isle of Dogs (2018) – Hunde und Kinder vs. Katzen und Diktatoren

All in favor of Chief fighting the robodog say Aye !

Vorsicht Spoiler – es ist nahezu unmöglich über diesen Film zu sinnieren ohne dabei über wichtige Handlungselemente zu sprechen !

Isle of Dogs ist einer der Filme des Jahres 2018, auf die ich mich schon ganz besonders gefreut hatte. Stop-Motion Animation ist eine Kunstform, durch die ich mich immer ein wenig in meine Kindheit zurück versetzt fühle. Ich denke da vor allem an das Sandmännchen oder die Abenteuer von Wallace and Gromit. Gleichzeitig kannte ich natürlich auch schon einige Werke des Regisseurs Wes Anderson, dem Schöpfer sehr schräger Filme wie z.B. The Royal Tennenbaums (2001), Fantastic Mr. Fox (2009) und Grand Budapest Hotel (2013) und nicht zu verwechseln mit Herrn Paul W.S. Anderson, dem wir u.a. die ziemlich hirnlosen Resident Evil Verfilmungen zu verdanken haben.

Daher war ich mir natürlich schon im Vorfeld bewusst darüber, dass es sich bei der Geschichte wohl eher nicht um ein seichtes Betthupferl-Märchen handeln würde, sondern um eine sehr exzentrische Mischung aus visueller Opulenz, Komödie, Satire und Melodram. Was genau dabei heraus kam und wie mir diese Genremischung gefallen hat, möchte ich in den Folgenden Zeilen näher erläutern.

Handlungsrahmen

Bürgermeister Kobayashi (gesprochen von Kunichi Nomura) herrscht in einer diktatorisch geführten Welt, die wohl in der näheren Zukunft der Menschheit angesiedelt ist, über die japanische Großstadt Megasaki. Gleich zu Beginn des Films wird eine erklärende Rückblende gezeigt, in der wir erfahren, dass Kobayashis Macht durch eine Organisation begründet wurde, welche sich als eine Art Geheimbund aus einer Jahrhunderte alten Rivalität zwischen Hunden und Katzen, sowie deren menschlichen Gefolgsleuten, entwickelte.

isle_of_dogs_282730536361829

by Paul Hudson from United Kingdom (Isle of Dogs) [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)%5D, via Wikimedia Commons

Dadurch verwundert es nicht, dass der Bürgermeister eines Tages ein Dekret verabschiedet, durch das alle Hunde, die an einer mysteriösen Seuche namens Snout Fever (Schnauzenfieber) erkrankt sind, auf eine einsame Insel verbannt werden, die als riesige Müllhalde für die weggeworfen Abfallberge der Metropole Megasaki dient.
Der erste Hund, der auf diese Insel deportiert wird, ist Spots (im Original gesprochen von Liev Schreiber). Im Verlauf der Handlung treffen wir auf weitere Exilhunde: Duke (Jeff Goldblum), Rex (Edward Norton), Boss (Bill Murray), King (Bob Balaban) und Nutmeg (Scarlett Johansson), die ihrem alten Leben als Haus- oder Schoßhündchen nachtrauern und sich unter der Führung des Streunerhundes Chief (Bryan Cranston) zu einem Rudel zusammen raufen, um sich gegenseitig zu trösten und das Überleben auf der trostlosen Müllinsel zu sichern.

Damit der Glaube an die Menschheit uns nicht vollkommen vergeht, gibt es zum Glück noch den kleinen Jungen Atari (Koyu Rankin), der seit dem Unfalltod seiner Eltern im Hause seines Onkels aufwuchs, welcher mysteriöser Weise der diktatorische Bürgermeister Kobayashi ist. Da der erste auf die Insel deportierten Hund Spots Ataris Leibwache – Hund gewesen war, den er nach dem Unfall von seinem Onkel zur Seite gestellt bekommen hatte um ihn zu beschützen, spürt das Menschenkind eine besondere Verpflichtung gegenüber dem Hund, durch die er sich auf eigene Faust und gegen alle Regeln zur Müllinsel aufmacht um seinen loyalen Freund zu suchen und zu retten.

Gleichzeitig wächst auch an anderer Stelle in der diktatorische geführten Großstadt zunehmender Widerstand gegen das rigorose Hundeverbot und die brutalen Abtransporte unschuldiger Haustiere. An der Spitze der Widerstandsbewegung steht das Schulmädchen Tracy Walker (Greta Gerwig), eine Austausch-Schülerin aus den USA, die sich nicht nur gemeinsam mit ihren Klassenkollegen gegen die menschen- und hundeverachtend Diktatur verbündet, sondern auch den Kontakt zu zwei führenden Wissenschaftlern herstellt, die beweisen können, dass es längst schon einen Impfstoff gegen die angeblich unheilbaren Hundegrippe gibt und die Gründe für die Verbannung der Hunde ganz andere sind als die von den Medien verbreiteten Erklärungen es behaupten.

Pro

Wie von Regisseur Wes Anderson nicht anders zu erwarten, faszinierte mich der Film Isle of Dogs mit einer Fülle beeindruckender, symbolisch aufgeladener Bilder voller Anspielungen und kleiner Details, die eine schier unermessliche Zahl an philosophisch – soziologischen Themen aufgreifen, uns Zusehern aber nie die Interpretationsarbeit abnehmen.

Die Umsetzung der verschiedenen Hunde-Charaktere ist wirklich toll gelungen, weil hier jedes Detail – vom Aussehen über Stimme und Mimik zur allgemeinen Darstellung verschiedener Charaktertypen – einfach passt und perfekt aufeinander abgestimmt ist. Die tierischen Hauptfiguren werden aber nicht nur durch die coole optische Umsetzung der Stop Motion Technik mit Leben gefüllt, sondern zu einem großen Teil auch durch die Schauspieler, die ihnen ihre markanten Stimmen leihen. Die meisten dieser Schauspieler (allen voran Bill Murray und Jeff Goldblum) arbeiteten schon mehrmals mit Regisseur Wes Anderson zusammen und sind daher alte Bekannte, die seinen skurrilen Stil verstehen und dadurch auch voll in ihre Stimmrollen eintauchen können.

isle_of_dogs_283936853678029

By Paul Hudson from United Kingdom (Isle of Dogs) [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)%5D, via Wikimedia Commons

Herauszuheben ist also nicht nur die unglaublich detailreiche Gestaltung der Modelle und Puppen, denen durch aufwändig verarbeitete Texturen, clevere Schnitte und Kameraperspektiven Leben eingehaucht wird, sondern auch die sehr detailreiche Charakterisierung der Hauptfiguren, sowie zahlreiche sehr gut eingesetzte Nebenrollen. Am besten in Erinnerung blieben mir dabei der Computer-Hacker aus der Schulklasse (der kein Wort spricht, sondern nur grimmig dreinschaut) sowie die beiden Wissenschaftler Professor Watanabe (gesprochen von Akira Ito) und Yoko Ono (gesprochen von der legendären Yoko Ono persönlich), die schon längst ein Heilmittel gegen das Schnauzenfieber gefunden haben, sich aber mit ihrer Entdeckung nicht gegen das Regime und die Fake News Fernsehberichte durchsetzen können.

Ein guter Film muss natürlich auch eine sehr starke Message haben. Auch in diesem Punkt fühlte ich mich durch Isle of Dogs keineswegs enttäuscht. Die Geschichte enthält einige sehr klare Statements gegen diktatorisch geführte Gesellschaftssysteme, die sich durch Fake News und Methoden der Diskriminierung Andersdenkender unter dem Anschein des Weiterbestehens demokratischer Strukturen an der Macht halten. Obwohl der Grundton der Erzählung sarkastisch – pessimistisch ist, gibt es am Ende zum Glück dann doch noch ein Happy End. Die Fäden des Schicksals und die Bemühungen der Rechtschaffenen werden belohnt und führen schließlich dazu, dass die ganze Verschwörung auffliegt und alle Hunde geheilt und zu ihren schwer vermissten Herrchen und Frauchen zurück gebracht werden können.

Contra

Ich wundere mich, dass der Film ab 6 Jahren freigegeben ist, denn weder die Optik, noch der Inhalt und die durchaus tiefgründigen Themen sind wirklich geeignet für Kinder in diesem Alter. Von den Kindern in meinem Bekanntenkreis, die dieser Altersgruppe angehören, würden die meisten sich entweder langweilen, weil sie viele Szenen noch nicht verstehen, oder weinend aus dem Kino laufen, weil Arme Hunde gequält, in Käfige gesteckt und auf den Müll geworfen werden.

Wie ich zahlreichen Reviews in Zeitungen, Blogs und YouTube Videos entnehme, stellt sich so manchem Zuseher / mancher Zuseherin auch die Frage, in wie weit dieser Film einen Ticken zu spezifisch auf ein amerikanisch-europäisches Zielpublikum zugeschnitten wurde.

Damit wir Zuseher uns mit den Hunden solidarisieren, die Geschichte aus deren Perspektive sehen und interpretieren, wird gleich zu Beginn des Films betont, dass uns das Bellen der Hunde zum besseren Verständnis in eine uns verständliche Sprache übersetzt wird. Wir hören die Hunde daher ganz normal Englisch (bzw. In der synchronisierten Fassung Deutsch) miteinander sprechen. Dialoge der Menschen bleiben jedoch bis auf wenige Stellen nur durch Untertitel übersetzt, um die Sprachbarriere zwischen Tieren und Menschen hervorzuheben, aber auch um noch mehr emotionale Distanz zu den Inhalten der von Menschen ausgesprochenen Inhalte und Ideen zu schaffen. Der einzige Mensch, den wir überwiegend Englisch (Deutsch) hören, ist die amerikanische Austausch-Schülerin Tracy, die auf Seiten der Hundebesitzer für deren Rückführung kämpft und ihre gesamte Schulklasse zur Revolte anstachelt.

Zusammen genommen hat das alles aber den Effekt, dass sämtliche negativ empfundenen menschlichen Charaktere Japanisch sprechen und alle positiv besetzten Charaktere die Sprache des amerikanisch-europäischen Zielpublikums. Der Kniff der Distanzierung von menschen- und hundeverachtende Ideen des diktatorischen Regimes durch sprachliche Distanzierung ist für sich gesehen durchaus clever und funktioniert wunderbar. Er hat auch einen gewissen Unterhaltungswert, aber natürlich nicht in allen Sprachräumen und Kulturen.

So kann ich mir z.B nicht vorstellen, dass es für ZuseherInnen, die den Film in einem Kino in Tokyo ansehen, ein ebenso großes Vergnügen sein kann, weil die Message des Films aus dieser Perspektive nicht ganz so eindeutig positiv ist und eher als belehrendes Statement im Sinne von „Ihr seid böse und eure Kultur macht alles falsch. Wir zeigen euch wie es richtig geht“ rüber kommen könnte. Ich kann das durchaus verstehen und nachvollziehen, denn als Einwohner eines Landes, dessen Sprache als Identifizierungsmerkmal für die bösen Gegenspieler dient, würde ich mich persönlich auch ziemlich auf den Schlips getreten fühlen.

Katzenliebhabern wird es teilweise ähnlich gehen, da wir in einigen Szenen unterschwellig darauf hingewiesen werden, dass das Böse in der Geschichte in Wirklichkeit von den Katzen ausgeht, die sich nie in die vorderste Schusslinie begeben, sondern unscheinbar im Hintergrund ihre Fäden ziehen und das Handeln des Diktators und seiner Schergen aus der Deckung heraus steuern.

Die bewusste und sehr offensichtliche Verwendung von Stereotypen ist immer problematisch, weil dadurch auch immer eine Gruppe von Individuen vom Gesamtergebnis ausgeschlossen bleibt. Für einen Film, dessen Hauptthema der Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung ist, eine zugegeben etwas seltsame Konstellation.

Fazit

Aufgrund der wirklich sehr schön gelungenen Optik, der detailreichen und humorvollen Umsetzung der Haupt- und Nebencharaktere, sowie der sehr beeindruckenden musikalischen Untermalung durch die Trommelklänge in Alexandre Desplats genialem Soundtrack, möchte ich dem Film Isle of Dogs eigentlich volle 5 von 5 Krokis verleihen.

isle_of_dogs_283936854274029

By Paul Hudson from United Kingdom (Isle of Dogs) [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)%5D, via Wikimedia Commons

Die verwendeten Stereotypen (Hunde gut : Katzen böse  ODER Japanisch sprechender Diktator böse : amerikanische Austausch-Studentin gut, da sie den Widerstand organisiert) liegen diesen 5 Krokis aber so schwer im Magen, dass es dafür leider 1 Kroki Abzug gibt.

Gesamtwertung also sehenswerte, mit viel eigener Denk- / Interpretationsleistung und Diskussionsstoff versehene 4 von 5 Krokis .

cropped-kroki.jpg

cropped-kroki.jpg

cropped-kroki.jpg

cropped-kroki.jpg

4 / 5

Wie hat euch der Film Isle of Dogs gefallen ? Top oder Flop ?

Eure Infos, Fragen und Antworten könnt ihr wie immer in den Kommentaren posten.
Über Rückmeldungen freue ich mich immer !!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..